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Zufriedenheit ist schön, kann aber faul machen...

Unzufrieden? Gut so!

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Warum Unzufriedenheit ein gutes Gefühl ist.

 

An dieser Stelle berichte ich regelmäßig über Spannendes, Interessantes aber auch Skurriles aus dem Bereich Mensch und Arbeit. Dabei möchte ich vor allem die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen erklären. Und natürlich will ich den Leser:innen eine Erkenntnis oder ein Learning mitgeben. Das ist Arbeits- & Organisationspsychologie, es ist mein Beruf.

Wir ertappen uns nörgelnd und bekommen schlechte Laune, weil Kleinigkeiten nicht funktionieren. Manchmal ist das ein diffuser Hinweis, dass etwas in unserem Leben nicht stimmt, manchmal wissen wir aber sehr genau, warum wir unzufrieden sind. Trotzdem mögen wir das Gefühl nicht und sind ebenso genervt davon, wenn unser Umfeld dauernd unzufrieden ist. Jedoch hat uns Mutter Natur diesen Zustand irgendwie mitgegeben. Was sollen wir jetzt damit anfangen?

Zunächst eine kleine fachliche Einordnung: in der (Persönlichkeits-) Psychologie wird zwischen State und Trait unterschieden. Trait ist ein Persönlichkeitsmerkmal, welches sich im Laufe eines Lebens nicht dramatisch ändert. Zum Beispiel, ob jemand eher extravertiert oder introvertiert ist. Ein State hingegen ist ein Zustand, der vorhanden sein kann oder auch nicht. Er kann sich manchmal sogar innerhalb von Minuten oder Stunden ins komplette Gegenteil verkehren.

Ein Beispiel: ich kann ein grundsätzlich introvertierter Mensch sein (Trait), aber jetzt gerade möchte ich den anderen aus meiner Abteilung stolz von unserem erfolgreichen Projekt berichten. Dafür gehe ich sogar auf eine Bühne und fühle mich auch noch wohl dabei. Das geht natürlich auch genau andersherum. Ich kann also ganz unterschiedliche Zustände erleben, auch solche, die meiner generellen Persönlichkeit widersprechen.

Zurück zur Unzufriedenheit: Lass uns ein Gedankenexperiment machen. Stell dir vor, du wärst ab jetzt glücklich und zufrieden in deinem Leben. Kein Genörgel, keine Beschwerden. Es ist einfach alles gut. Das wäre doch toll, oder? Zumindest für die nächsten Tage, vielleicht Wochen. Aber dann? Alles soll so bleiben wie es ist, weil es toll ist?

Es ist ein Schlaraffenland, Milch und Honig kommen direkt in unseren Mund? Was würde dann passieren, wenn wir nur noch satt und zufrieden sind? Richtig: Wir werden rund und hören auf, uns zu bewegen. Noch weiter: wir hören auf, uns zu entwickeln.

Es ist eine Eigenschaft des Zustandes “Glück”, den wir kennen und dem wir so sehr nachjagen in unserem Leben, dass dieser Zustand flüchtig ist. Wir können nicht generell und dauerhaft glücklich sein. Wir können dieses flüchtige Gefühl lediglich öfter erleben und versuchen, ihm nachzujagen. Um auf die Jagd danach gehen zu können oder gar gehen zu wollen, müssen wir eben auch das Gegenteil fühlen können, nämlich Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation.

Und spätestens jetzt realisierst du: Unzufriedenheit ist ein wichtiges Gefühl! Es ist vielleicht DIE Triebfeder für uns Menschen überhaupt. Wenn wir nicht mit einer Lebenssituation oder einer beruflichen/privaten Konstellation unzufrieden wären, würden wir sie nie ändern oder verbessern wollen. Wir gehen die Risiken oder Lasten einer größeren Veränderung nur an, wenn wir unzufrieden mit dem bisherigen sind und das Gefühl haben, etwas ändern zu wollen und dies auch zu können.

Also: wenn du das nächste Mal unzufrieden bist, lächle in dich hinein, sag “Danke für den Hinweis!” und beginne zu überlegen, was passieren muss, damit du nicht mehr unzufrieden bist!